1.9 Die Wahrnehmung von Farbe
Die Farbwahrnehmung erfolgt durch die menschliche Sinneswahrnehmung. Verfahren zur Farbmessung geben diese Wahrnehmung durch erklärende und nachvollziehbare Größen wieder. Gemäß DIN 5033, Blatt 1, wird Farbe wie folgt definiert:
„Farbe ist diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge des Menschen strukturlos erscheinenden Teiles des Gesichtsfeldes, durch die sich dieser Teil bei einäugiger Beobachtung mit unbewegtem Auge von einem gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlosen angrenzenden Bezirk allein unterscheiden kann.”
Diese Farbdefinition mag etwas kompliziert formuliert sein, ist aber in ihrem Kern unmissverständlich und erlaubt es, dass die visuelle Wahrnehmung von „Farbe” von allen anderen Eindrücken während des Sehens unterschieden werden kann. Mit dem Adjektiv „strukturlos” wird in dieser Definition die Beschaffenheit von beobachteten Objekten von der Farbempfindung getrennt.
Demzufolge spielt die Beschaffenheit etwa eines Stoffes für die Farbwahrnehmung keine Rolle.
Laut dieser Definition wird von der Beobachtung mit „einem” Auge gesprochen, welches „unbewegt” ist, womit andere Faktoren wie die räumliche Wahrnehmung in Bezug auf die Objekte, ihre Richtung und sogar ihre relative Bewegung von der Farbwahrnehmung ausgeschlossen werden. Da einäugiges Beobachten eines unbewegten Objektes die Wahrnehmung von Glanz ausschließt, wird die Bewertung von Glanz in der Farbwahrnehmung ausgeschlossen.
Farbe stellt, im Gegensatz zu Masse, Volumen oder Temperatur, nicht bloß eine physikalische Eigenschaft eines Objektes dar. Sie ist eher eine Empfindung, die durch Strahlung von ausreichender Intensität hervorgerufen wird. Die Strahlung kann von einer selbst leuchtenden Lichtquelle stammen oder von einer Oberfläche reflektiert werden. Diese Strahlung dringt in das Auge ein, wobei Rezeptorzellen diese in Nervenimpulse umwandeln. Diese Nervenimpulse werden an den für Farbverarbeitung zuständigen Teil des Gehirns weitergeleitet. Die Wahrnehmung von Farbe hängt neben physikalischen Gesetzen auch von physiologischen Vorgängen der Strahlung in Bezug auf Organe. Zu diesen zählen insbesondere visuelle Bedingungen, Leuchtdichte (Helligkeit) und die Anpassungsfähigkeit des Auges.
Farbe tritt in Form von Licht auf. Dieses kann von selbst leuchtenden Lichtquellen oder Oberflächenfarben (von nicht selbst leuchtenden Lichtquellen) stammen. Andererseits kann Farbe in der Zwischenform von Leuchtfarben auftreten und zwar mittels Farbstoffen wie optischen Aufhellern oder Tagesleuchtfarben, die Photonen mit kurzen Wellenlängen absorbieren und als Licht mit längerer Wellenlänge wieder emittieren.
Physiologischer Hintergrund
Dadurch, dass Spektralzerlegung von weißem Licht die Wahrnehmung von verschiedenen Farben zur Folge hat, ist die Farbwahrnehmung folglich eng mit der Wellenlänge des Lichts verknüpft. (siehe Abb. 1). So wird beispielsweise ein Licht mit einer Wellenlänge von 650 nm als „Rot” und eines mit 550 nm Wellenlänge als „Grün” wahrgenommen. Es gibt jedoch einige Farben, wie etwa violett, die nicht direkt einer bestimmten Wellenlänge zugeordnet werden können und somit bei der Spektralzerlegung von weißem Licht nicht vorkommen.
Die Farbwahrnehmung findet in unserem Gehirn statt. Dies geschieht durch die Überlagerung von Nervensignalen mittels drei verschiedener Photorezeptoren, die über die gesamte menschliche Netzhaut verteilt sind. Diese Photorezeptoren werden Zapfen genannt und sorgen für photopisches Sehen bei Tageslicht. Photorezeptoren, die für skotopisches Sehen (Nachtsicht) verantwortlich sind, nennen sich Stäbchen; diese sind empfindlicher als die Zäpfchen. Da es nur eine Stäbchenart gibt, verläuft die Nachtsicht farblos.
Die drei verschiedenen Zäpfchenarten unterscheiden sich in ihrer spektralen Empfindlichkeit in Bezug auf elektromagnetische Strahlung. Abb. 1 verdeutlicht dies für das durchschnittlich normal sehende Auge. Trifft monochromatische Strahlung auf das Auge, wie es bei der Spektralzerlegung von weißem Licht der Fall ist, bestimmt die Wellenlänge darüber, welche Zäpfchenart stimuliert wird. Monochromatisches Licht mit 680 nm Wellenlänge reizt nur eine Art von Zäpfchen, während die andern beiden Arten demgegenüber unempfindlich sind. Daraufhin deutet das Hirn diese Signale von dieser Zäpfchenart als Farbe „Rot”. Von den anderen Zäpfchenarten geht kein Signal aus. Daher werden diese Zäpfchen als „rote Zäpfchen” bezeichnet. Demgegenüber stehen die „blauen” sowie die „grünen Zäpfchen”.
Abb. 1: Verhältnismäßige spektrale Empfindlichkeit der vier Arten von Lichtrezeptoren in der menschlichen Netzhaut.
Die drei Zäpfchenarten sorgen für photopisches Sehen, die Stäbchen dagegen für skotopisches Sehen (Nachtsicht)
Quelle (Stand 2002): http://lsvl.la.asu.edu/askabiologist/research/seecolor/rodsandcones.html
Farbaddition
Wie bereits erwähnt reizt monochromatisches Licht bei einer gewissen Wellenlänge vorwiegend eine Zäpfchenart, wobei die Wahrnehmung von „Blau”, „Grün” oder „Rot” entsteht. Je nach vorliegender Wellenlänge kann monochromatisches Licht auch zwei Zäpfchenarten gleichzeitig stimulieren, sodass es zu einer weiteren Farbwahrnehmung kommt. Die roten und grünen Zäpfchen werden etwa durch monochromatisches Licht bei 580 nm gereizt und ein von diesen Zäpfchen gesendetes Signal erzeugt die Wahrnehmung von „Gelb” – dabei gibt es kein gleichzeitig gesendetes Signal von blauen Zäpfchen.
Das menschliche Sehsystem ist jedoch nicht in der Lage, zwischen monochromatischer und Breitbandstrahlung zu unterscheiden, solange die Reizung bei allen drei Zäpfchenarten gleich bleibt. Die Wahrnehmung von „Gelb” kann somit ebenfalls von einem Breitbandspektrum zwischen 550 nm und 700 nm hervorgerufen werden, solange die grünen und gelben gleichzeitig und die blauen Zäpfchen überhaupt nicht gereizt werden. all. So geht auch die Wahrnehmung von „Cyanblau” auf die gleichzeitige Stimulation von blauen und grünen Zapfen zurück, während die Wahrnehmung von „Magenta” (oder Violett) mit der gleichzeitigen Stimulation von blauen und roten Zäpfchen begründet ist (siehe Abb. 1). Bei zeitgleicher Reizung aller Zäpfchenarten wird die Farbe „Weiß” wahrgenommen.
Somit gelangt man zu einer wichtigen Schlussfolgerung: Betrachtet wird eine Lichtquelle, die aus drei verschiedenen Quellen mitsamt der Farben Rot, Grün und Blau besteht. Wenn die jeweilige Intensität der drei einzelnen Quellen veränderbar sind, können alle möglichen Farben erzeugt werden. Genau darin besteht auch die wesentliche Idee von Farb-Kathodenstrahlröhren für vornehmlich Fernseher und PC-Bildschirme: Jedes Pixel (ein Bildpunkt auf dem Bildschirm) besteht aus drei kleineren einzelnen Punkten der Farben Rot, Grün und Blau (siehe Abb. 2). Diese einzelnen Bildpunkte liegen so nah beieinander, dass das menschliche Auge diese nicht einzeln wahrnehmen kann. Stattdessen erzeugen sie die Wahrnehmung einer bestimmten Farbe durch Überlagerung ihrer jeweiligen Intensität. So erscheint ein Pixel gelb, wenn nur der rote und grüne Bildpunkt Licht ausstrahlen. Strahlen alle drei Bildpunkte gleichzeitig Licht aus, erscheint das Pixel weiß. Die Gesamtheit der durch Farbaddition erzeugten Farben erzeugt den RGB-Farbraum. Sie basieren alle auf den drei (additiven) Primärfarben rot, grün und blau.
Abb. 2: Der Farbadditionseffekt mit weißem Licht aus einem Overhead-Projektor vor (oben) und nach (unten) dem Durchgang durch einen Magenta-Filter.
Links ist die entsprechende Spektralzerlegung zu sehen, während der Kreis rechts die entstehenden Farbeindrücke zeigt.
Es wird deutlich, dass der Filter Licht vom grünen Bereich im sichtbaren Spektrum nahezu vollständig absorbiert,
während das blaue und rote Licht durch den Filter kaum geschwächt wird. Der Eindruck von Violett erscheint,
wenn gleichzeitig Licht vom blauen und roten Bereich im sichtbaren Spektrum vorhanden ist, Licht vom grünen Bereich jedoch nicht.
Abb. 3: Ein RGB-Bildschirm besteht aus vielen kleinen roten, grünen und blauen Punkten.
Bei Veränderung ihrer Helligkeit wird – durch Farbaddition – der Eindruck von verschiedenen Farben erzeugt.
Quelle (Stand 2002): http://www.cs.princeton.edu/courses/archive/fall99/cs426/lectures/raster/img013.gif
Farbsubtraktion
Während Farbaddition die Wahrnehmung von verschiedenen Farben durch Überlagerung von roten, grünen und blauen Lichtquellen beschreibt, basiert Farbsubtraktion auf der Absorption von weißem Licht durch Filter oder Pigmente. Ein Gelbfilter absorbiert beispielsweise Wellenlängen unter circa 500 nm, was blauem Licht entspricht, übermittelt aber längere Wellenlängen, die grünem und rotem Licht gleichkommen. Trifft somit weißes Licht auf den Filter, übermittelt dieser Wellenlängen, die nur die grünen und roten Zäpfchen, aber nicht die blauen, stimulieren. Wie bereits beschrieben, wird dadurch die Wahrnehmung von „Gelb” hervorgerufen. Wird eine Oberfläche (oder besser: Pigmente auf einer Oberfläche) mit weißem Licht bestrahlt, erscheint diese gelb, da Wellenlängen unter 500 nm absorbiert und Wellenlängen über diesem Wert reflektiert werden. Daraus folgt, dass Filter (oder Pigmente) bei Bestrahlung mit weißem Licht gelb erscheinen, wenn sie blaues Licht absorbieren, violett, wenn grünes Licht absorbiert wird und Cyanblau bei Absorption von rotem Licht. Da der Effekt bezüglich Filter bei durchgelassenem Licht der gleiche ist wie im Hinblick auf Pigmente bei reflektiertem Licht, gelten die folgenden Schlussfolgerungen für Pigmente auch für Filter.
Was geschieht bei der Kombination von zwei Pigmenten? Die Kombination eines gelben Pigments, das kurze (blaue) Wellenlängen absorbiert, mit einem cyanblauen Pigment, das lange (rote) Wellenlängen absorbiert, resultiert bei Bestrahlung mit weißem Licht in der Reflexion von ausschließlich mittleren (grünen) Wellenlängen. Folglich ergibt die Kombination aus gelben und cyanblauen Pigmenten die Reflexion von grünem Licht. Ähnlich ergeben gelbe und violette kombinierte Pigmente rotes Licht und die Kombination aus Cyanblau und Violett bringt grünes reflektiertes Licht hervor. In der nachfolgenden Abbildung (Abb. 4) wird der Effekt der Farbsubtraktion für Filter veranschaulicht.
Im Idealfall resultiert die Kombination von gelben, cyanblauen und violetten Pigmenten in einer vollständigen Absorption des sichtbaren Wellenlängenbereichs und somit in der Wahrnehmung einer schwarzen Oberfläche.
In der Realität erfüllen die Absorptionseigenschaften dieser Pigmente dieses Idealbild jedoch nicht. Daher benutzt beispielsweise ein Vier-Farben-Drucker zusätzlich ein schwarzes Pigment. Farben, die durch die Kombination von Cyanblau, Gelb, Magenta und Schwarz erzeugt werden, gestalten den sogenannten CYMK-Farbraum.
Abb. 4: Überschneidung der Farbflächen von gelben, cyanblauen und violetten Farbfiltern auf einem Overhead-Projektor.
In den sich überschneidenden Flächen ergibt die Farbsubtraktion grünes, rotes und blaues Licht.